WEIHNACHTSTREFFEN MIT ...
ELISABETH AUGUSTE UND CARL THEODOR
UWE MEWES
An einem grauen Freitagnachmittag im Dezember fahre ich guten Mutes mit dem Rad südwärts am Rhein entlang. Die Dämmerung senkt sich schnell auf Wasser und Ufer, der Benrather Schlosspark steht zur Linken wie eine drohende dunkle Wand. An der Rheinterrasse biege ich scharf links in den dunklen Park ein. Es sind nur noch vereinzelte Spaziergänger unterwegs, daher beschleunige ich kräftig. Ab nach Hause – auch wenn's unheimlich ist. Es wird immer dunkler – und ich fahre immer schneller. Da sehe ich Schloss Benrath im Dunst auftauchen, und freue mich, dass es wieder etwas heller und belebter wird. Plötzlich – ein Schlag im Lenker, den ich sofort loslasse, dann eine endlos wirkende Zeit des freien Fluges, ein Aufprall und völlige Finsternis. Da höre ich in weiter Ferne eine resolute weibliche Stimme, die ruft: „He Kalli – guggemal. Da liegt einer in unserem Buchsbaum. Ob der wohl besoffen ist? Noi – der hat a dickes Ei am Kopf, der ist sicher bös drauf gefallen.“ Ich versuche vergeblich den Mund zu öffnen und spüre, wie mich starke Hände hochheben und irgendwohin tragen.
Dann sehe ich ein helles Licht über mir, und denke, nun ist es endgültig vorbei. Da schält sich aus dem Licht ein ernst blickendes Gesicht mit Doppelkinn, das so gar nichts von einem Engel hat. Ich bekomme einen Schluck Wasser eingeflößt und frage das Doppelkinn nach seinem Namen. Es antwortet: “Ich bin Elisabeth Auguste, und der starke Kerl da drüben ist Carl Theodor. Wir sind Kurfürsten, aber du kannst ihn ruhig Kalli und mich Lisa nennen.“
Na bravo, jetzt bin ich voll zerschrammt bei Adligen gelandet, und dann womöglich noch in die Vergangenheit gebrettert. Kurfürsten – die haben doch damals das Schloss hier gebaut.
„Wie heißt du überhaupt?“ „Hmm ja, Weiß nicht – ich bin wohl ziemlich auf den Kopf gefallen.“ Jetzt fragen die beiden mich doch glatt nach meinem Namen. Wie peinlich! „Also wenn du das nicht weißt, dann nenne ich dich jetzt einfach Götz. Frei nach dem Superhelden, über den ein Freund der Familie geschrieben hat, Johann Wolfgang hieß der wohl.
„Oh Mann, mit tut jeder Knochen weh – leck mich … mit deinem Johann Wolfgang“ mehr kriege ich nun wirklich nicht raus. „Jawohl – Götzilein, genau das hatte dieser Superheld auch gesagt. Ich glaube der Name ist goldrichtig für dich. Bist du etwa auch einer von den Sturm und Drang-Schreiberlingen? So wie Goethe oder Schiller? Alles junge Leute, klug, aber ziemlich frech.“
„Nee, das nicht. Aber was macht ihr beiden eigentlich hier?“ Jetzt werden die zwei so richtig verlegen und meinen, der Bau des Schlosses muss ja gelegentlich beaufsichtigt werden, und da haben sie sich ausnahmsweise mal zusammen im Winter Urlaub genommen. Für die „weiblichen Zimmer“ hat Lisa so ihre eigenen Vorlieben, und Kalli mag gerne Eichenlaub in seinen Räumen. Und was die zwei sonst noch so treiben – da werden beide etwas rot um die Nase. Naja, das ist ja schließlich ein Lustschloss. Und auf irgendetwas muss man da doch Lust haben. Ich bohre nach, auf was denn. „Also höre mal – nun ist es aber genug! Gleich kommt meine Zofe Friederike, und dann machen wir mit Kalli einen flotten Dreier. Ach herrje, heutzutage sind die jungen Leute ja so neugierig. Aber das ist halt die Sturm und Drang-Zeit.“ Jetzt bin ich wohl voll ins kurfürstliche Fettnäpfchen getreten. Ein neckischer Blick von Lisa, ein zärtliche Berührung meiner Wange, und dann höre ich das leiser werdende Rascheln von ihren vielen Unterröcken. Dann sagt jemand: “Guck mal, wie glücklich er lächelt. Der Typ hat in seiner Narkose bestimmt einen schönen Traum gehabt.“