NEUER FRÜHLING 2021

CHRISTINA MÜLLER-GUTOWSKI EMPFIEHLT

 

 

Mascha Kaléko

 

In das Dunkel dieser alten, kalten

Tage fällt das erste Sonnenlicht.

Und mein dummes Herz blüht auf, als wüßt es nicht:

Auch der schönste Frühling kann nicht halten,

Was der werdende April verspricht.

 

Da, die Amseln üben schon im Chore,

Aus der Nacht erwacht die Welt zum Leben,

Pans vergessenen Flötenton im Ohr ...

Veilchen tun, als hätt es nie zuvor

Laue Luft und blauen Duft gegeben.

 

Die Kastanien zünden feierlich

Ihre weißen Kerzen an. Der Flieder

Bringt die totgesagten Jahre wieder,

Und es ist, als reimten alle Lieder

Sich wie damals auf "Ich liebe dich".
 

- Sag mir nicht, das sei nur Schall und Rauch!

Denn wer glaubt, der forscht nicht nach Beweisen.

Willig füg ich mich dem alten Brauch,

Ist der Zug der Zeit auch am Entgleisen –

Und wie einst, in diesem Frühjahr auch

Geht mein wintermüdes Herz auf Reisen.

 

 

Nennen wir es "Frühlingslied". Mascha Kaléko, von Kritikern als "Gebrauchslyrikerin" abgewertet, beweist umso mehr, dass wir alle  (solche) Gedichte brauchen.

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